1998

Das Erbe des Wettergottes

Grabungen in der Zitadelle von Aleppo

Projektleitung

Prof. Dr. Kay Kohlmeyer

English summary

Aleppo is Syria’s second largest city and has a history of several thousand years. The citadel on top of a hill in the old city center symbolizes Aleppo’s historical significance and is a UNESCO world heritage site. Due to the Syrian civil war, one of the citadel’s walls collapsed in 2015, making it one of the country’s many historical sites damaged or destroyed during the fighting. From 1996 to 2005 the Gerda Henkel Foundation funded an archaeological project on the grounds of the citadel, which was conducted by Professor Kay Kohlmeyer and Dr. Julia Gonnella. They were able to excavate an ancient temple devoted to the weather god – a temple whose existence and location had long been in question. The most significant part of this temple is a cella surrounded by basalt blocks with well-conserved reliefs. We talked with Professor Kohlmeyer and Dr. Gonnella about their research.

Ansicht der Zitadelle von Süden in einer Darstellung des 18. Jahrhunderts

[Bildquelle:

Drummond 1754: Taf. VII. Sauvaget, Jean (1941): Alep. Essai sur le développement d´une grande ville syrienne des origines au milieu du XIXe siècle: Bibliothèque Archéologique et Historique 34. Paris

]

Im Sommer 2015 ging die Nachricht um die Welt, dass im Zuge des Krieges in Syrien eine Außenwand der Zitadelle von Aleppo eingestürzt sei. Die historische Zitadelle, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt wurde, reiht sich damit ein in die Liste der kulturellen und religiösen Stätten, die im Zuge des Bürgerkriegs beschädigt oder zerstört wurden. Mit Sorge blicken die Archäologen Prof. Dr. Kay Kohlmeyer und Dr. Julia Gonnella nach Syrien, wo sie lange Zeit geforscht und gelebt haben. Im Zentrum ihrer Arbeit stand die Ausgrabung und Erforschung des Tempels des Wettergottes.

Aleppo ist die zweitgrößte Stadt Syriens mit einer jahrtausendealten Geschichte. Die geopolitisch günstig gelegene Stadt gewann im zweiten Jahrtausend v. Chr. an Bedeutung. Als sichtbares Zeichen von Aleppos historischer Bedeutung thront die Zitadelle auf einem Hügel über der Altstadt. Unter Malik az-Zahir Ghazi (Regierungszeit 1186–1216 n. Chr.) wurde sie in ihrer jetzigen Form als Palaststadt ausgebaut.

Tempelgrabung in der Zitadelle

[Bildquelle:

Mission archéologique d'Alep

]

Das Interesse der ab 1996 forschenden syrisch-deutschen Expedition galt allerdings jenem historischen Zeitraum, von dem keine sichtbaren Spuren mehr zu erkennen waren. Seit Mitte des dritten Jahrtausends wird Aleppo mit einem Tempel zu Ehren des Wettergottes Hadda in Verbindung gebracht. Lange Zeit stritt sich die Fachwelt, wo dieser Tempel zu finden sei. Bereits 1929 hatte George Ploix de Rotrou in seiner Funktion als Antikeninspektor des französischen Hochkommissariats und Konservator des 1926 gegründeten Aleppiner Nationalmuseums einen wiederverwendeten altorientalischen Basaltblock in der Zitadelle gefunden. Der Block trug die Reliefdarstellung zweier geflügelter Genien. Für Professor Kohlmeyer war dies Anlass, den Tempel des Wettergottes auf dem Zitadellenhügel zu vermuten und dort weiter zu graben, wo de Rotrou aus finanziellen Gründen nach einem ersten Suchschnitt aufgeben musste. Ein solch umfangreiches Vorhaben zu finanzieren, gestaltete sich jedoch aufgrund der dünnen Beweislage und des ungewissen Erfolgs schwierig – bis Professor Kohlmeyer 1995 die Stiftungsgründerin Lisa Maskell für das Projekt begeistern konnte und die Gerda Henkel Stiftung die Finanzierung zusagte.

Ausgehend von de Rotrous Vorarbeit gruben sich die Forscher in der Zitadelle durch spätosmanische Wohnhäuser, über die frühosmanische, mamlukische und aiyubidische, umaiyadisch/byzantinische und hellenistische Epoche hinab bis in die altorientalische ZeitDer Tempel hatte monumentale Ausmaße und seine Geschichte lässt sich bis in die Mitte des dritten Jahrtausends v. Chr zurückverfolgen.. Hierbei entdeckten sie schließlich tatsächlich den Tempel des Wettergottes. Dieser Tempel hatte monumentale Ausmaße, und seine Geschichte lässt sich bis in die Mitte des dritten Jahrtausends v. Chr. zurückverfolgen. Den bedeutendsten Teil der Grabung macht die um 1100 v. Chr. neugestaltete Cella aus, die von einer Reihe von Basaltblöcken auf einer Podestmauer umrandet wird, mit teilweise einmaligen Reliefs des Wettergottes sowie anderer Götter und Gestalten.

Prof. Dr. Kay Kohlmeyer und Dr. Julia Gonnella im Gespräch mit Georgios Chatzoudis

Die Forscher ließen die Basaltblöcke für spätere Ausstellungszwecke an Ort und Stelle. Bei Abschluss des Projekts im Jahr 2005 war ein künftiges Museum in Planung, in dem die Funde aufbewahrt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten. In Folge des Bürgerkriegs musste das Vorhaben vorerst aufgegeben werden, und die weitere Erforschung und Bewahrung der Funde ist stark gefährdet.

Wir haben mit Professor Kohlmeyer und Dr. Gonnella im Aleppo-Zimmer des Museums für Islamische Kunst in Berlin über das Projekt gesprochen.

Projektinformationen

Projekttitel Die Zitadelle von Aleppo
Projektleitung   

Prof. Dr. Kay Kohlmeyer

Institution HTW Berlin
Fachbereich Archäologie

Karte

Projektort
   
Projektleitung
Dr. Julia Gonnella
Prof. Dr. Kay Kohlmeyer

Titelbild: Siebter Reliefblock, rechts: Wettergott von Aleppo, seinen stiergezogenen Wagen besteigend

[Bildquelle:

Mission archéologique d'Alep

]

1997

Wiederaufnahme einer Forschungstradition

 

1999

Mit Sinn und Verstand